Overtoni

Der Name leitet sich ab vom Overton-Fenster, das den Bereich gesellschaftlich oder politisch akzeptabler Meinungen oder Äußerungen beschreibt. Was innerhalb des Fensters liegt, gilt als politisch vertretbar.

Um die Akzeptanz zu verschieben, etwa, wenn man bislang nicht akzeptierte Meinungen in der Bevölkerung beliebter machen möchte, bedarf es einer Vorarbeit. Diesen Vorstoß leisten rangniedere Trolle: einfache Parteisoldaten, Minister, deren Amtszeit ohnehin bald endet, B-Promis, denen jede Art der Publicity recht ist.

„Overtoni“, auch „Overton-Troll genannt, ist ein Troll, der für jede Gang grenzdebiler Populisten die Vorhut bildet. Seine Aufgabe ist es, etwas Provozierendes, Bahnbrechendes oder Undenkbares vorzutragen, um mal zu sehen, wie es denn so ankommt. Nachdem Overtoni die Abscheulichkeit oder das endbescheuerte, an sadistische Psychose grenzende Konzept mal eben launig ins Netz erbrochen hat, verschwindet er rasch wieder in sein Rudel, dessen Ränge sich rasch hinter ihm schließen.

Overtoni verwendet gern „Post and ghost“, d.h. er legt nicht oder nur wenig nach, er begründet nicht und ignoriert die Publikumsreaktion. Die ist oft heftig: die Wut schäumt, wie im Fieber knattern die Heerscharen des Internet Widerspruch oder Empörung heraus… aber dennoch, gesagt ist es nun einmal und bleibt in so manchem Hinterkopf stecken. Die Reaktionen der Menge waren lehr- und aufschlussreich, besonders interessant ist stets, ob und wieviel Zuspruch es gibt.

Finden sich ausreichend viele Overton-Trolle, so kann allein durch deren beharrliche Wiederholung die öffentliche Meinung tatsächlich beeinflusst werden; insbesondere dann, wenn die jeweiligen Overtonis einigermaßen prominent und sympathisch, beliebt, und einflussreich sind. Spitzenpolitiker oder Superstars können nicht als Overtoni arbeiten, da die Reaktion des Stimmviehs oder des Mob oftmals nicht gut eingeschätzt werden kann. Der zweiten oder dritten Reihe hingegen verzeiht der Mob eher, zudem kann Overtoni, falls das Echo gar zu arg ausfiel, ein tränenreiches Dementi publizieren, was seiner Publicity ebenfalls wieder gut tut. Obendrein gibt es von den Auftraggebern eine stille Belohnung, schließlich hat man ja den Kopf hingehalten.

Bei gelenkten Kampagnen beginnen schlichte Gemüter oft, freiwillig oder gar unbewusst als Overtonis zu arbeiten – einmal provoziert, übertreiben die Simpel gern weiter. Es genügt, den Kristallisationskeim einer Anstachelung oder einer Hetze in politisch brodelnde Social Media Gruppen zu streuen, dann etwas zu moderieren, und schon bekommt man unvorsichtige Arbeitslose dazu, ganz von selbst weiter zu übertreiben. Dies ist im Grunde die Tätigkeit des modernen #AgentProvocateur.

Overton-Trolle haben meist dankbare, aber nicht zu dankbare Auftraggeber: wirklich vergessen werden Meinungs-Vorstöße nie, und falls das entsprechende Thema sich schlecht entwickelt, wird Overtoni nie mehr damit in Ruhe gelassen – der Weg zur Spitze bleibt ihm verbaut. Extreme sind immer fürs Fußvolk, die Drahtzieher schicken nicht umsonst rangniedere Trolle vor: Ruf und Risiko sind eben eng miteinander verbunden.


„Trollikon“ ist ein Publishing Projekt der Weingartener Multimedia-Agentur strohm.IT. Das Projekt dient der Verbesserung der online Diskurse durch Ironie und durch das Aufzeigen stur wiederkehrender, oft unfairer oder populistischer Muster. strohm.IT ist als Firma mit gesellschaftlichem Anliegen in den Bereichen Werbung, Publishing, Intellectual Property und Automatisierung tätig. Schwerpunkt-Themen der Firma sind Kultur, Umweltschutz, Integration und Inklusion. In diesen und in anderen Arbeitsfeldern arbeitet die Firma mit modernen Verbreitungsmethoden und originellem Content.

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